In Kit Kemp lebt etwas von der Magie des Schokoladenfabrikanten Willy Wonka. Als Innenarchitektin und Kopf ihres gleichnamigen Einrichtungsunternehmens arrangiert sie mit großer Leichtigkeit kühne Muster, kräftige Farben, originelle Kunstwerke und handgefertigte Objekte im Zuhause ihrer Kundschaft. Und als Mitbegründerin und Kreativdirektorin der Firmdale Hotels – zehn äußerst beliebte Quartiere in London und New York – ersinnt sie ganze Welten, in die man eintauchen kann.
Ihre Hotels sind Garanten für ein Gefühl der Ruhe und Entspannung bei den Gästen, aber sie bieten auch fantastische Möglichkeiten, dem Alltag zu entfliehen. Beispielhaft für solche Refugien sind unter anderem das leuchtende „Feld“ tulpenförmiger Hängelampen, die im Lesesaal des Whitby Hotels in Manhattan von der Decke hängen, oder der Wald voller Fabelwesen, der die Wände des Charlotte Street Hotels in der britischen Hauptstadt schmückt – oder das Restaurant des Hauses, in dem ein von der Bloomsbury-Group inspiriertes Wandgemälde stilisierte Technicolor-Szenen des modernen Lebens in London darstellt.
So ist es naheliegend, dass Kemp in ihrem neuen, bei Hardie Grant erschienenen Buch Design Secrets den „Regeln der Magie“ ein ganzes Kapitel widmet: Hier verrät sie einige ihrer Tricks, mit denen sie Räumen eine Prise Zauber verleiht.
„Ich gebe selbst den luxuriösesten Räumen“, so schreibt sie, „gerne etwas Witz und Faszination mit, um Menschen daran zu erinnern, dass Design sich nicht immer ernst nehmen muss.“ Ihre Ideen? Füllen Sie zum Beispiel Glasbehälter mit farbenfrohen, leicht unnatürlich wirkenden Versionen von Pilzen, experimentieren Sie mit astrologischen Motiven und bringen Sie jede Menge Fabelwesen ins Spiel – „Mythical Creatures“ – eine von Kemps Textilkollektionen.
Dies ist nur eine kleine Auswahl der zahllosen Kniffe und Regeln, bewährter Praktiken und der „Geht überhaupt nicht“-Kombinationen, die sie auf über 250 reichhaltig bebilderten Seiten als ihre Geheimnisse präsentiert. Wie Kemp kürzlich erklärte, soll das Buch Leser*innen daran erinnern, dass Design „Spaß machen und spannend sein sollte“. Sie will Menschen in die Lage versetzen, Räume zu erschaffen, die sich für sie richtig und authentisch anfühlen.
Kemp schreibt in ihrem Buch: „Magie war in all ihren betörenden und imposanten Ausdrucksformen schon immer eine Inspiration.“ Hier hat sie für einen Pop-up-Store in New York Textilien und Tapeten mit Fabelwesen verwendet. Solche folkloristischen Landschaften schaffen „einen malerischen, märchenhaften Charme“, schreibt sie.
Design Secrets hat sie mit praktischen Informationen angereichert, zum Beispiel finden sich hier Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Gestaltung von Teppichen, Kopfteilen für Betten, Bilderrahmen und vieler anderer Elemente im Kit Kemp-Stil. Sie hat sogar ein Malbuch beigefügt, das Schwarz-Weiß-Zeichnungen einiger Kemp-Räume enthält. So können Leser*innen feststellen, welche Farbpaletten sie bevorzugen. (Buntstifte oder Marker sind separat erhältlich.)
In den folgenden Abschnitten erläutert Kemp mehr über ihre Designphilosophie und den Sinn des Buches, über ihre Leidenschaft, mit der sie Objekte und Antiquitäten sammelt und mit der sie Magie erzeugt – oft aus vollkommen alltäglichen Gegenständen.
1. Was hat Sie zu einem solchen Buch bewegt?
Sehr häufig sind Menschen, die ihr Zuhause gestalten, vom Ergebnis enttäuscht. Das liegt daran, dass uns in vielfältiger Weise vorgeschrieben wird, was wir mögen sollen: Leder, Schwarz-Weiß-Fotos, Grautöne – und am Ende fühlen wir uns in solchen Räumen einfach nicht wohl.
Mit diesem Buch möchte ich andere Sichtweisen anbieten. Es soll Menschen einen Anstoß geben, sich selbst zu vertrauen: „Ich kann einem Raum Charakter geben, ich kann etwas schaffen, das etwas über mich aussagt.“
Die Räume, in denen wir leben, sind ein Spiegel unserer Gedanken und Gefühle. Wir entwickeln uns ständig weiter und verändern uns. Design Secrets bietet neue Wege, dieser Entwicklung Ausdruck zu verleihen. Ich wollte ein Buch machen, das man neben dem Bett liegen hat und in dem man zum Beispiel im Winter etwas Ansprechendes findet. Dann schaut man im Sommer hinein und findet etwas anderes.
Kemp hat keine Angst vor kräftigen Farben und überraschenden Musterkombinationen: Im Salon des Londoner Ham Yard Hotels kombinierte sie Crewel-Stickerei-Sofas mit Sitzmöbeln, die mit lebhaftem Patchwork-Print bezogen sind. Zu dieser Komposition gesellte sie einen bemalten antiken schwedischen Aufsatzsekretär, einen Teppich von Breon O’Casey, ein Gemälde von Eileen Cooper und einen Couchtisch aus gebranntem Holz und Schiefer von Tom Stogdon.
2. Was sind die Leitmotive des Buchs – übergreifende Ideen, die an die verschiedenen Geheimnisse anknüpfen?
Für mich sind das immer fünf Grundelemente: Charakter, Farbe, Komfort, Handwerk und das Kuratieren. Charakter: Indem man etwas hinzufügt, einen besonderen Schwerpunkt, schafft man Anknüpfungspunkte für Gespräche. Es entstehen Fragen wie: „Du interessierst dich für Pferde?“ Farbe: Das ist es, was uns wirklich glücklich macht – die Würze des Lebens. Komfort: Schließlich möchten wir uns in einem Raum wohlfühlen und nicht gleich wieder gehen wollen – mit dem perfekten gemütlichen Sessel und guter Beleuchtung. Handwerk: Ich bin ein großer Fan handwerklich gefertigter Objekte, sei es ein Keramikkrug, ein Korb oder ein Lampenschirm. Mit Maschinen kann man denselben Gegenstand tausendfach produzieren, doch ein handwerklich hergestelltes Objekt unterscheidet sich immer, es ist von Hand gefertigt und darin drückt sich echte Liebe aus. Und schließlich Kuratieren: Bei Räumen dreht sich alles um die richtige Auswahl – zu Beginn und dann noch einmal zum Schluss. Der Teufel steckt im Detail.
3. Sie sind bekannt dafür, dass Sie aus Sammlungen alltäglicher Gegenstände künstlerische Installationen erschaffen. Welchen Rat geben Sie jemandem, der das auch tun möchte?
Jetzt, wo wir es schon fast in eine postpandemische Phase geschafft haben, ist ein guter Zeitpunkt, neu zu bewerten, was Sie wertvoll finden. Vielleicht haben Sie eine Schublade voller Schlüssel, weil Sie so oft umgezogen sind. Sie könnten aus all diesen unterschiedlichen Formen ein fantastisches Kunstwerk zusammenstellen – die Geschichte Ihres Lebens, die Sie an die Wand hängen. Es muss nicht zwingend im Zentrum Ihres Wohnzimmers präsentiert werden, aber vielleicht in einem Zwischenraum, wo es entdeckt werden kann. In solchen kleinen Ecken und Nischen kann man wunderbar kreativ sein.
Oder nehmen Sie Bowlingschuhe – die fand ich schon immer witzig. Die würden Sie vermutlich nicht jeden Tag tragen wollen, aber ihr Design ist herrlich. Für eine Wand der Bowlingbahn im Ham Yard Hotel in London habe ich eine Kollektion angefertigt – das hat sehr viel Spaß gemacht.
„Einen Kamin kann man eher mit einem schönen Blumenstrauß zum Leuchten bringen als mit einem typischen flackernden Feuer“, schreibt Kemp. „Wenn Sie Ihren Kamin nicht oft nutzen oder er hauptsächlich der Dekoration dient, sorgen clevere Objekte wie dieser gemalte Blumenstrauß für Leben.“
4. Wie integrieren Sie Antiquitäten und Vintage-Fundstücke in Ihre Arbeit?
Häufig betrachte ich sie gar nicht in ihrer Eigenschaft als Antiquitäten, sondern eher als Teil der Textur und der Farbgebung, die ein Interieur vielschichtig werden lassen. Gestaltet man alles zeitgenössisch, prägt sich nichts ein, gestaltet man hingegen alles antik, kann ein Raum zu einem Abziehbild der Vergangenheit werden. Erst durch die Mischung entsteht diese wunderbare Faszination, die mich sehr stark anspricht.
Das Holz eines antiken Objekts hat etwas an sich, das man einfach anfassen möchte. Handwerk und Schönheit erzählen die Geschichte der Jahrhunderte. Ich bin zum Beispiel begeistert von Objekten aus der Epoche von William IV. Sie sind sehr kraftvoll, besonders die Spiegel.
Es gibt schöne Reproduktionen, und doch gibt es nichts Besseres als einen antiken Tisch in einer Ecke, über dem ein Spiegel hängt. Eine merkwürdige Ecke in einem Raum lässt sich mit einem antiken Schreibtisch oder Vintage-Regalen mit einer Sammlung alter Bücher mit Leben füllen. Sie schaffen damit einen Platz zum Arbeiten, aber auch ein Raumelement mit einer Aussage, das Interesse erzeugt.
Ein antiker Kamin, platziert in einem Raum ohne besonderen architektonischen Charakter oder Blick nach draußen, kann diesen Raum enorm aufwerten. So ein Kamin hat oft „eine Menge zu sagen“.
5. Gehen Sie die Gestaltung eines Hotels anders an als die eines privaten Zuhauses?
Nein, eigentlich nicht. Sehr oft befinden wir uns in einem eher kompromisslosen urbanen Umfeld – bei den Hotels noch mehr als bei den Privathäusern. Ich möchte also das Interieur hell, frisch und belebend haben. Wenn Sie eines unser Hotels betreten, möchte ich, dass Sie das Gefühl haben, Sie betreten eine magische Welt, in der ein Element der Fantasie lebt: Wen könnten Sie treffen? Was könnte geschehen?
Letztlich möchte ich die Sinne befriedigen, egal, in welchem Raum, und unabhängig davon, wo dieser sich befindet. Genau darum geht es bei der Gestaltung von Räumen, die man nicht vergisst.